Muskelgruppen
Die Skelettmuskulatur besteht aus mehr als 600 Einzelmuskeln von unterschiedlicher Form und Größe. Ein Muskel kann einen oder mehrere Ursprungsköpfe besitzen, die in eine gemeinsame Endsehne auslaufen. Man unterscheidet zwischen
- einköpfigen Muskeln (z.B. M. brachialis = Armbeugemuskel)
- zweiköpfigen Muskeln (z. B. M. biceps femoris= zweiköpfiger Oberschenkelmuskel)
- dreiköpfigen Muskeln (z. B. M. triceps brachii = dreiköpfiger Armstreckermuskel)
- vierköpfigen Muskeln (z. B. M. quadriceps femoris = vierköpfiger Oberschenkelstrecker)
Ein Muskel ist an mindestens zwei Stellen (Ursprung und Ansatz) über Sehnen an den Knochen befestigt. Zumeist ist der körpernahe Festigungspunkt der Ursprung und der körperferne Fixationspunkt der Ansatz. Für das Training ist es wichtig zu wissen, wo sich der Ansatz und der Ursprung des Muskels befinden. Dann lässt sich auch die Wirkungs- und Funktionsweise des Muskels erklären.
Ein Kraftsportler sollte darauf Wert legen, seinen Trainingsplan so abwechslungsreich zu gestalten, dass er das jeweilige Gelenk über alle Bewegungsrichtungen trainiert, um Verletzungen vorzubeugen. Aus diesem Grund werden die Gelenke mit dessen Bewegungsrichtungen beschrieben und einen Überblick für die Muskeln mit deren Funktionen gegeben.
Es gibt eingelenkige und mehrgelenkige Muskeln. Das ist von den jeweiligen Muskeln abhängig. Überspringen die Muskeln ein oder mehrere Gelenke mit der Sehne? Eingelenkige Muskeln sind mehr an einfachen Übungen beteiligt. Mehrgelenkige Muskeln werden besonders bei komplexen Bewegungsabläufen beansprucht. Die Skelettmuskeln können über ein oder mehrere Gelenke ziehen. Jedes vom Muskel überzogene Gelenk wird auch von diesem bewegt. Die eingelenkigen Muskelanteile des großen vierköpfigen Quadriceps femoris haben nur Einfluss auf das Kniegelenk, weil sie mit ihrem Ursprung und Ansatz nur über das Kniegelenk führen. Der gerade Kopf des M. quadriceps femoris führt über zwei Gelenke (Hüft- und Kniegelenk) und bewegt damit beide Gelenke, in dem er das Hüftgelenk beugt und das Kniegelenk streckt.
Damit Körperbewegungen fließend ablaufen, muss ein optimales Zusammenspiel gegensätzlich arbeitender Muskeln gewährleistet sein. Ein Muskel führt an einem beliebigen Gelenk eine bestimmte Bewegung aus. Dieser wird als Agonist bezeichnet. Ein anderer Muskel ist für die entgegengesetzte Bewegung zuständig. Dieser wird als Antagonist oder Gegenspieler bezeichnet. Wird nur der Agonist viel trainiert und der Antagonist vernachlässigt, kann dies zu Verspannungen und muskulären Dysbalancen führen. Eine gleichsinnige Zusammenarbeit zweier Muskeln während einer Bewegung wird als Synergismus bezeichnet.
Im Folgenden werden anhand der Gelenke die primär Einfluss nehmenden Muskelgruppen und damit die wichtigsten Muskeln mit funktionellen Bewegungsmöglichkeiten dargestellt.
Rückenmuskulatur, Brust- und Bauchmuskulatur
Viele Sportler haben als erklärtes Trainingsziel die Kräftigung der Rückenmuskulatur. Meistens stehen dann auf dem Trainingsplan Übungen wie Latissimuszug, Rudern am Gerät, Rückenextension oder Bauchmuskelübungen. Es wird oft nicht daran gedacht, dass die Wirbelsäule nicht nur durch die großen sichtbaren Rückenmuskeln stabilisiert wird. Besonders die tieferliegende autochthone Rückenmuskulatur ist für eine Stabilisierung und Bewegung der Wirbelsäule verantwortlich. Die Wirbelsäule wird primär durch folgende Muskelgruppen stabilisiert: autochthone Rückenmuskulatur (M. erector spinae) und gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis).
Die autochtone Rückenmuskulatur verläuft zwischen den Quer- und Dornfortsätzen. Sie ist für die Stabilisation zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule verantwortlich und ist bei der Streckung, Beugung und Drehung der Wirbelsäule mitbeteiligt. Übungen, die diese Bewegungsrichtungen der Muskulatur ausführen, trainieren die Rückenmuskulatur. Eine Rotationsbewegung der Wirbelsäule mit hüftbreiten, festen Stand am Seilzug trainiert diese Muskulatur.
Der breite Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) hat mehrere Ursprungspunkte: Dornfortsätze des 7. bis 12. Brustwirbels und aller Lendenwirbel, 9. bis 12. Rippe, Kreuz- und Darmbein. Von dort führt der Muskel zum Oberarmknochen. Seine Funktion ist die Rückführung, Heranführung und Innenrotation im Schultergelenk. Sobald die Arme Gewicht über den Kopf nach unten ziehen, wird dieser Muskel trainiert. Das bekannte Latziehen ist eine gute Übung, um den Muskel zu trainieren. Klimmzüge beanspruchen den breiten Rückenmuskel ebenfalls. Schwimmer haben daher zumeist einen großen breiten Rückenmuskel.
Der gerade Bauchmuskel (M. rectus abdominis) als Antagonist hat seinen Ursprung am 5. bis 7. Rippenknorpel, Brustbein und setzt am Schambein an. Trainiert wird der gerade Bauchmuskel, indem die Wirbelsäule gebeugt wird. Übungen wie gerade Crunches, schräge Crunches und Klappmesser sind gute Übungen, um den Bauch zu trainieren.
Der äußere schräge Bauchmuskel (M. obliquus externus abdominis) hat seinen Ursprung an der Außenfläche der 5. bis 12.Rippe und seinen Ansatz am Darmbeinkamm, Leistenband und Scheide des geraden Bauchmuskels. Der innere schräge Bauchmuskel (M. obliquus internus abdominis) hat seinen Ursprung am Darmbeinkamm, Leistenband, Lendenaponeurose und seinen Ansatz an der 9. bis 12. Rippe.
Sie sind für die Beugung nach vorne und zur Seite sowie für die Drehung der Wirbelsäule verantwortlich. Mit Crunches werden die schrägen Bauchmuskeln trainiert. Zudem kann der Sportler am Seilzug trainieren. Mit lang ausgestreckten Armen und auf einem Hocker oder Pezziball sitzend, bewegt dieser das Gewicht vom Seilzug von der einen zur anderen Seite, ohne im Hüftgelenk zu rotieren. Die Kraft der Drehung kommt nur aus der Bauchmuskulatur. In Schräglage an einer Bank angelehnt mit ausgestreckten Armen neben den Beinen kann der Sportler seine schrägen Bauchmuskeln trainieren, indem er aus der Bauchmuskelkraft sein Körpergewicht gegen die Schwerkraft nach oben bewegt. Die freiliegende Hand sollte dabei als Zielvorgabe über das Knie gestreift werden.
Brustmuskulatur
Es gibt viele Männer, die überwiegend die Brustmuskulatur trainieren. Die Schultern sind dann muskulär bedingt nach vorne gefallen. Auffällig ist deren nach vorne gebeugte Haltung. Sie haben sich einen Rundrücken antrainiert. Beim Krafttraining gilt es nicht nur über alle Achsen zu trainieren, sondern auch den Gegenspieler zu belasten. In diesem Fall sollte also neben dem Brustmuskeltraining immer Übungen für den oberen Rücken auf dem Trainingsplan Berücksichtigung finden.
Der Brustmuskel (M. musculus pectoralis major) hat seinen Ursprung am Schlüsselbein, Brustbein und an der Scheide des geraden Bauchmuskels. Der Ansatz befindet sich an der Leiste des großen Oberarmhöckers. Im Schultergelenk führt er den Arm weg vom Körper nach vorne (Anteversion), von oben nach unten (Abduktion). Er kann den Arm nach innen rotieren sowie den erhobenen Arm nach vorne unten senken.
Liegestütze, Brustpresse und Butterfly sind Übungen, die den Brustmuskel zu trainieren. Für fortgeschrittene Sportler sind plyometrische Liegestütze (eine Hand stützt höher als die andere Hand) eine gute Möglichkeit, um den Brustmuskel zu definieren. Viel Abwechslung und Vielfältigkeit in den Übungen formen den Muskel umso besser. Schnelle aufeinanderfolgende Liegestütze oder Liegestütze mit kurzen Kontaktzeiten (Liegestützen mit Händeklatschen).
Obere Rückenmuskulatur
Der Trapezmuskel, auch Kapuzenmuskel genannt (M. musculus trapezius), hat drei unterschiedliche Ursprünge. Der Muskel ist in drei Muskelanteile aufgeteilt. Der obere bzw. absteigende Anteil (pars descendens) hat seinen Ursprung an den Dornfortsätzen des 1. bis 7. Halswirbels und setzt beim Schlüsselbein an. Der obere Anteil hebt die Schulter nach oben und neigt und dreht den Kopf zur Seite.
Eine geeignete Übung ist das Schulterheben mit Kurzhanteln. Dabei sind die Arme ganz lang neben dem Körper ausgestreckt, die Schultern sind nach hinten unten bewegt und die Schulterblätter zueinander angespannt. Nun wird langsam die Schulter nach oben gehoben. Der mittlere bzw. querverlaufende Anteil (pars transversa) hat seinen Ursprung an den Dornfortsätzen des 1. bis 4. Brustwirbels. Dieser setzt mittig am Rand der Schulter an. Dieser Muskel presst die Schulterblätter zusammen und sorgt dafür, dass die Schultern nach hinten gezogen werden. Die Übung Butterfly Reverse beansprucht diesen Anteil gut, solange der Sportler die Arme im Ellenbogengelenk auf Schulterhöhe hält.
Der untere bzw. aufsteigende Anteil (pars ascendens) hat seinen Fixationspunkt an den Dornfortsätzen des 5. bis 12. Brustwirbels und seinen Ansatz an der Schulterblattgräte. Dieser Anteil zieht die Schulterblätter nach unten. Latziehen am Gerät trainiert auch diesen Muskel, wenn darauf geachtet wird, in der Endstellung die Schulterblätter noch einmal intensiv nach unten zu ziehen.
Rotatorenmanschette
Aufgrund seiner anatomischen Struktur besitzt das Schultergelenk die vielfältigsten Bewegungsmöglichkeiten. Im Schultergelenk kann der Oberarmkopf Drehbewegungen um drei Hauptachsen durchführen. Deshalb bestehen im Schultergelenk sechs Hauptbewegungsmöglichkeiten: der Oberarm kann gesenkt und gehoben, nach vorne und hinten bewegt sowie nach innen und außen rotiert werden.
Schulterprobleme haben viele. Wichtig ist die muskuläre Stabilisierung des Schultergelenkes. Dies erfolgt durch tiefliegende Muskeln, die das Schultergelenk wie eine Manschette umschließen. Da diese rotatorische Funktion ausüben, werden diese Muskeln auch als Rotatorenmanschette des Schultergelenkes bezeichnet.
Außenrotatoren sind der Obergrätenmuskel (M. supraspinatus), Untergräßenmuskel (M. infraspinatus) und der kleine Rundmuskel (M. teres minor). Der Innenrotator ist der Unterschulterblattmuskel (M. subscapularis). Alle Muskeln setzen am Oberarm an. Übungen für die Außenrotatoren sind z.B. Außenrotation am Seilzug, Butterfly Reverse am Gerät oder mit dem Theraband. Für den Innenrotator ist die Innenrotation am Seilzug sowie Butterfly vorteilhaft.
Armmuskulatur
Das Ellenbogengelenk wird vor allem durch Bänder und sekundär knöchern stabilisiert. Der hintere Muskelteil des Armes ist der dreiköpfige Oberarmmuskel (M. triceps brachii). Der Ursprung des langen Kopfes ist das Höckerchen unterhalb der Schultergelenkpfanne, der mittlere Kopf (caput mediale) und kurze Kopf (caput breve) ist die Hinterfläche des Oberarmbeines. Der Ansatz ist der Hakenfortsatz der Elle. Alle Köpfe führen eine Extension des Ellenbogengelenkes aus. Der lange Kopf führt zudem das Absenken nach unten und zur Seite des Schultergelenkes durch.
Am Seilzug kann der Oberarmmuskel mit Seil trainiert werden, indem der Sportler den Arm im Ellenbogen komplett streckt. Ebenso kann die Streckung im Ellenbogengelenk auch mit einer Hantel trainiert werden. Triceps Push Ups (enge Liegestützen) oder Dips sind ein effektives Training für Fortgeschrittene.
Der Antagonist ist der zweiköpfige Oberarmmuskel (M. biceps brachi). Der Ursprung des langen Kopfes ist das Höckerchen oberhalb der Schultergelenkpfanne und der des kurzen Kopfes (caput breve) ist der Rabenschnabelfortsatz. Der Muskel setzt an der der Speichenrauhigkeit an. Der Oberarmmuskel beugt den Arm im Ellenbogengelenk und führt den Arm im Schultergürtel zum Körper (Beugung). Er führt den Arm im Schultergelenk seitlich zum Körper hin und zurück. Besonders die Menschen mit Impigment Syndrom profitieren davon, wenn sie den Bizeps trainieren, da der Muskel Platz in der Schultergelenkpfanne schafft. Biceps Curls, Seitheben und Latziehen mit engem Griff trainieren den Oberarmmuskel.
Beinmuskulatur und Gesäßmuskulatur
Das Hüftgelenk ist durch die Knochen sehr gut gesichert. Zudem ist es noch von äußerst kräftigen Bändern und einer starken Gelenkkapsel gesichert. Die Muskeln können sechs Hauptbewegungsrichtungen um drei Achsen ausführen: Beugung/Streckung, Abspreizen/Heranführen und Innenrotation/Außenrotation. Die Adduktoren und Abduktoren werden hier nicht weiter mit aufgeführt, sollen aber im Trainingsplan Berücksichtigung finden, wenn es darum geht, über alle Achsen zu trainieren.
Das Kniegelenk ist ein Scharnier-Dreh-Gleitgelenk. Die Bewegungsmöglichkeiten im Kniegelenk sind Beugung, Streckung, Innen- und Außenrotation. Es wird primär ligamentär (durch Bänder) und muskulär gesichert. Da die muskuläre Stabilisierung für ein gut funktionierendes Kniegelenk von Bedeutung sind, werden im Folgenden alle Muskeln aufgeführt, die für die genannten Bewegungsrichtungen verantwortlich sind.
Die vordere Oberschenkelmuskulatur hat vier Ursprungspunkte und teilt sich deshalb in vier Muskelteile auf. Daher kommt auch der Name des vierköpfigen Oberschenkelmuskels (M. quadriceps femoris). Dieser Muskel besteht aus insgesamt vier Köpfen: der zweigelenkige gerade Oberschenkelmuskel (M. rectus femoris), zur Körperaußenseite liegender (vastus medialis) und zur Körpermitte liegender mittlerer Kopf (vastus intermedius). Vom Oberschenkelknochen bzw. vom Darmbein aus führen die vier Muskelköpfe in eine gemeinsame Kniescheibensehne (Patellasehne) zum Schienbein. Der Muskel stabilisiert das Kniegelenk. Alle Köpfe strecken das Kniegelenk. Der Beinstrecker und die Beinpresse trainieren also den Oberschenkelmuskel. M. rectus femoris führt zusätzlich eine Beugung im Hüftgelenk durch. Kniebeugen sind hierbei empfehlenswert.
Die hintere Oberschenkelmuskulatur wird hier als M. ischiocrurale zusammengefasst. Darunter versteht man den zweiköpfigen Oberschenkelmuskel (M. biceps femoris), den Halbsehnenmuskel (M. semitendinosus) und den Plattsehnenmuskel (M. semimembranosus). Die Muskelgruppe hat seinen Ursprungspunkt beim Sitzbein. Der Ansatz ist das Waden- oder Schienbein. Sie sind für die Beugung und Innen- und Außenrotation des Kniegelenks verantwortlich. Zusätzlich führt der zweiköpfige Oberschenkelmuskel noch eine Streckung im Hüftgelenk aus. Kniebeugen, Beinpresse, Leg Curl und Innen- und Außenrotation am Seilzug mit Fußmanschetten trainieren die Beinrückseite.
Die Gesäßmuskulatur (M. glutaeus maximus) hat drei Fixationspunkte und zwar am Darm-, Kreuz- und Steißbein. Von dort verläuft der Muskel zum Oberschenkelknochen. Die Gesäßmuskulatur streckt das Bein im Hüftgelenk und rotiert und führt das Bein zur Körpermitte wieder zurück. Für die Kniegelenkausrichtung hat also der Gesäßmuskel eine große Bedeutung. Back Lift am Seilzug mit Fußmanschette oder mit Tube/Theraband und Abspreizen des gestreckten Beines im Theraband trainieren den Gesäßmuskel. Intensives Training sind für Fortgeschrittene zum Beispiel hohe Kniebeugesprünge mit tiefen Fall. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Schuhspitze leicht nach außen zeigt. Tiefe Lunches mit Stepbrett ist z.B. ein sehr intensives Gesäßmuskeltraining.
Wadenmuskulatur
Der Zwillingswadenmuskel (M. gastrocnemius) verläuft vom Schenkelbein (Ursprung) zur Achillessehne an der Ferse(Ansatz). Im Sprunggelenk streckt er den Fuß nach unten. Im Kniegelenk ist er der Synergist zur M. ischiocrurale, indem er im Kniegelenk das Bein mitbeugt.
Mit dem Beinbeuger (Leg Curl) sitzend und stehend werden die Waden trainiert. Sprünge mit Landung in der Kniebeuge sind für Fortgeschrittene ein intensives Training für die Waden. Wadenheben auf einem Step beansprucht ebenso den Muskel.
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